70. Warum ich mich davor fürchte, die Probleme anderer bloßzustellen
Als ich noch in der Schule war, fiel mir auf, dass einige meiner Klassenkameraden kein Blatt vor den Mund nahmen. Wenn sie sahen, dass andere im Unrecht waren, sagten sie es frei heraus, wodurch sie oft Leute kränkten und von allen gemieden wurden. Ich dachte: „Sind die etwas schwer von Begriff? Wie heißt es so schön: ‚Über die Fehler guter Freunde zu schweigen, ermöglicht eine lange und gute Freundschaft‘ und ‚Schlage nie unter die Gürtellinie‘. Man sollte alles sehen, aber nicht alles ansprechen. So eckt man nicht an. Wenn man zu direkt ist, auch wenn man keine bösen Absichten hegt, reagieren die Leute negativ und lehnen einen ab. Wie kann man so Freunde gewinnen?“ Dementsprechend wies ich im Umgang mit anderen nie direkt auf ihre Probleme hin. All meine Klassenkameraden mochten mich und waren mit mir befreundet. Sie sagten, ich sei umgänglich und nett, also dachte ich, ich verfügte über eine recht gute Menschlichkeit. Als ich zum Glauben Gott an gefunden hatte, verhielt ich mich den Brüdern und Schwestern gegenüber genauso. Wenn ich Probleme bei anderen bemerkte, wies ich sie nicht darauf hin. Ich war immer der Meinung, zu große Direktheit sei den Leuten unangenehm, dass sie denken würden, ich hätte es auf sie abgesehen und würde versuchen, ihre Unzulänglichkeiten bloßzustellen, und das würde unsere Beziehung ruinieren. Erst als mir eine Offenbarung zuteil wurde und ich Gottes Wort las, erkannte ich, dass die Art und Weise, wie ich mit anderen umging, sich gegen die Wahrheit und gegen Gott richtete.
Es war im Jahr 2015, und ich arbeitete zusammen mit Leslie an einer Videoproduktion. Sie war schon länger gläubig als ich und auch älter. Wir waren höflich zueinander, kamen gut miteinander aus, und es gab so gut wie keine Konflikte zwischen uns. Später wurde ich zur Aufseherin gewählt. Eines Tages meldeten die anderen, dass Leslie sich keine Mühe gebe, hinterhältig und gerissen sei und die Arbeit aufhalte. Sie schien ein ziemlich ernstes Problem zu haben, also sprach ich mit meinen Arbeitspartnern über die Notwendigkeit, Leslie auf ihre Probleme hinzuweisen und diese bloßzustellen, damit sie über sich selbst nachdenken, sich selbst kennen, Buße tun und sich ändern könnte. Meine Arbeitspartner stimmten zu und fragten, wer mit Leslie Gemeinschaft halten solle. Ich stand da und schwieg, wollte mich ja nicht vorwagen, um das Problem zu lösen. Ich dachte: „Wenn ich sie auf ihre Probleme hinweise, wird sie dann denken, ich habe es auf sie abgesehen? Wie würden wir dann miteinander auskommen?“ Zu meiner Überraschung schlugen alle vor, dass ich mit Leslie Gemeinschaft halten sollte. Am liebsten wäre ich davongerannt, aber wenn ich sie nicht auf ihre Probleme hinwies, würde die Gemeindearbeit weiter beeinträchtigt werden. Am Ende musst ich die Zähne zusammenbeißen und es hinter mich bringen. Ich nahm mir etwas Zeit, um mich mental darauf vorzubereiten, mich zu ermutigen, ihre Probleme anzusprechen. In meinem Kopf ging ich immer wieder durch, was ich zu ihr sagen würde, vom ersten bis zum letzten Wort. Als wir uns dann aber trafen, war ich völlig durcheinander. Mein Hals war wie zugeschnürt, und die Worte wollten mir einfach nicht über die Lippen kommen. Also fragte ich mit sanfter Stimme: „Wie war dein Zustand in letzter Zeit? Gut? Hattest du irgendwelche Schwierigkeiten? Warum ging es bei deinen Videos so langsam voran?“ Leslie antwortete, sie habe sich Sorgen gemacht, weil ihr Sohn nicht zur Schule ging, und das habe ihre Arbeit verzögert. Ich dachte: „Sie gibt zu, dass sie Schwierigkeiten hat. Wenn ich sie jetzt bloßstelle, weil sie sich keine Mühe gibt und hinterhältig und gerissen ist, wird sie denken, ich sei zu hart zu ihr und habe sie auf dem Kieker? Wenn unsere Beziehung in die Brüche geht, wird es um einiges unangenehmer zwischen uns sein.“ Bei diesem Gedanken beschloss ich, sie nicht auf ihre Probleme hinzuweisen. Ich gab ihr nur ein paar tröstende Worte mit auf den Weg und besprach kurz den aktuellen Stand ihrer Pflicht.
Da sie sich wirklich selbst nicht kannte, wurstelte sie sich weiterhin durch ihre Pflicht, und es gab eine Menge Probleme bei ihren Videos. Mir wurde klar, dass Leslies Probleme ziemlich ernst waren und sie entlassen werden müsste, wenn sie sich nicht änderte. Etwas später hielt ich ein weiteres Mal mit ihr Gemeinschaft. Ich dachte, dieses Mal würde ich sie definitiv auf ihre Probleme hinweisen. Doch kaum hatte ich mich hingesetzt, blieben mir die Worte wieder im Hals stecken. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, wie ich es ihr sagen und sie auf ihre Probleme aufmerksam machen könnte, ohne dass es ihr unangenehm war, ohne dass sie dachte, ich hätte es auf sie abgesehen, und ohne dass sie eine schlechte Meinung von mir bekam. Ich fragte sie taktvoll: „Warum bist du immer so schludrig deiner Pflicht?“ Leslie erzählte mir dann, dass sie manchmal ihrer fleischlichen Vorliebe, Romane zu lesen, nachgab und ihre Pflichten vernachlässigte. Sie war so aufgebracht, dass sie bei den Worten in Tränen ausbrach. Ich dachte: „Sie hat es schwer im Moment. Wenn ich jetzt sage, dass sie sich hinterhältig und gerissen verhält, wird sie das verkraften können? Ich sage lieber nichts. So oder so hat sie ihr Problem eingestanden und sollte sich jetzt bessern.“ Also sagte ich ihr, dass ich Verständnis für ihren Zustand habe, und ermutigte sie, sich bei ihrer Pflicht mehr zu bemühen. In der Zeit danach zeigte sie weiter keine Reue, ihre planlose Vorgehensweise wurde immer schlimmer, und schließlich wurde sie entlassen. Ich dachte damals nicht über mich selbst nach, und bald war die Sache vergessen.
Ich las etwas später eine Passage aus Gottes Wort, die mir ein gewisses Verständnis meines Zustands vermittelte. Der Allmächtige Gott sagt: „Das Verhalten der Menschen und der Umgang mit anderen muss auf den Worten Gottes beruhen; dies ist das grundlegendste Prinzip für das menschliche Verhalten. Wie können Menschen die Wahrheit praktizieren, wenn sie die Grundsätze des menschlichen Verhaltens nicht verstehen? Die Wahrheit zu praktizieren bedeutet nicht, leere Worte zu sagen und Schlagworte zu rufen. Worauf man im Leben auch stößt, solange es um die Prinzipien für das menschliche Verhalten, die Sichtweisen auf Ereignisse oder die Erfüllung ihrer Pflicht geht, stehen sie vor einer Entscheidung, und sie sollten nach der Wahrheit suchen, sie sollten in Gottes Worten nach einer Grundlage und einem Grundsatz suchen, und dann sollten sie einen Weg zur Ausübung der Praxis finden. Jene, die so praktizieren können, sind Menschen, die nach der Wahrheit streben. Die Fähigkeit, auf diese Weise nach der Wahrheit streben zu können, egal wie groß die Schwierigkeiten auch sein mögen, auf die man stößt, bedeutet, den Weg des Petrus, den Weg des Strebens nach der Wahrheit zu gehen. Welchem Prinzip sollte man beispielsweise im Umgang mit anderen folgen? Vielleicht ist es dein ursprünglicher Standpunkt, dass Harmonie ein Schatz und Nachsicht eine Meisterschaft ist, dass du den Frieden bewahren und vermeiden solltest, dass andere ihr Gesicht verlieren, und dass du niemanden beleidigen solltest, um so gute Beziehungen zu anderen zu erreichen. Von diesem Standpunkt eingeengt, wirst du schweigen, wenn du Zeuge wirst, wie andere Verfehlungen begehen oder Grundsätze verletzen. Anstatt jemanden zu beleidigen, wirst du es vorziehen, dass das Werk der Kirche Verluste erleidet. Du wirst dich bemühen, mit allen Menschen Harmonie zu bewahren, ganz gleich, wer sie sind. Du wirst nur Dinge sagen, die anderen gefallen – Du denkst nur daran, ihre Gefühle zu schützen und ihr Gesicht zu wahren. Selbst wenn du feststellst, dass jemand Probleme hat, wirst du dich in Toleranz üben – hinter seinem Rücken wirst du vielleicht etwas sagen, aber ihm gegenüber wirst du den Frieden wahren und eure Beziehung aufrechterhalten. Was hältst du von einem solchen Verhalten? Ist es nicht das eines Jasagers? Ist es nicht ziemlich gerissen? Es verstößt gegen die Verhaltensprinzipien. Ist es also nicht niedrig, so zu handeln? Diejenigen, die so handeln, sind keine guten Menschen, noch sind sie nobel. Ganz gleich, wie viel du gelitten hast, und ganz gleich, welchen Preis du gezahlt hast, wenn du dich prinzipienlos verhältst, dann hast du versagt und wirst vor Gott keine Anerkennung finden, nicht in Seinem Gedächtnis bleiben und Ihm nicht gefallen“ (Das Wort, Bd. 3, Die Diskurse des Christus der letzten Tage: Um seine Pflicht gut zu erfüllen, muss man zumindest ein Gewissen und Vernunft besitzen). Gottes Wort ließ mich erkennen: Wenn es um Verhaltensgrundsätze oder Ansichten geht, sollte ich, egal was in meinem Leben passiert, immer nach den Grundsätzen der Wahrheit suchen. Früher hatte ich mich nicht getraut, Brüder und Schwestern auf ihre Probleme hinzuweisen, und dachte, das sei völlig okay. Solange wir gut miteinander auskommen, dachte ich, und uns nicht streiten, ist alles in Ordnung. Dann las ich Folgendes in Gottes Worten: „Ganz gleich, wie viel du gelitten hast, und ganz gleich, welchen Preis du gezahlt hast, wenn du dich prinzipienlos verhältst, dann hast du versagt und wirst vor Gott keine Anerkennung finden, nicht in Seinem Gedächtnis bleiben und Ihm nicht gefallen.“ Diese Worte haben mich wirklich berührt. Es mag so ausgesehen haben, als hätte ich nichts Böses getan, doch ich hatte immer Angst davor, die Leute zu kränken, und traute mich nie, andere auf ihre Probleme hinzuweisen. Selbst wenn ich ein Problem sah und mich innerlich darüber ärgerte, setzte ich immer ein Lächeln auf für sie. Dadurch wurden Probleme, die hätten beseitigt werden müssen, nicht gelöst, und die Gemeindearbeit litt darunter. Gott sagt, dass so ein Mensch gerissen und hinterhältig ist und seine Pflicht nicht nach den Grundsätzen erfüllt. Ich dachte darüber nach, wie ich den Vorfall mit Leslie gehandhabt hatte. Mir war sehr wohl bewusst, dass sie sich hinterhältig und gerissen verhielt und den Arbeitsfortschritt schwer beeinträchtigte, doch ich hatte Angst davor, sie traurig zu machen, sollte ich zu direkt mit ihr sein. Vielleicht würde sie mich für zu hart halten und schlecht von mir denken. Ich befürchtete, sie würde es weit von sich weisen und ein langes Gesicht machen, und dann würde es zwischen uns unangenehm werden. Um unsere Beziehung zu schützen, hatte ich zu viel Angst, sie bloßzustellen oder mich mit ihr zu befassen. Ich sah, wie ihr Problem, ihre Schludrigkeit, immer schlimmer wurde, und es machte mich wütend, doch wenn ich mit ihr Gemeinschaft hielt, hatte ich zu viel Angst davor, sie gegen mich aufzubringen, also traute ich mich nicht, ihr Problem zu erwähnen oder es bloßzustellen. Ich sagte nur ein paar harmlose Dinge, die das Thema nur am Rande berührten, und tröstete sie sogar, obwohl ich mich nicht so fühlte. Dass ich als Aufseherin die Probleme, die ich entdeckte, nicht bloßstellte oder beseitigte, hieß, dass ich mich unverantwortlich und wirklich fahrlässig verhielt. Schließlich erkannte ich, dass ich im Umgang mit anderen die ganze Zeit „den netten Kerl“ spielte, weil ich dachte, rücksichtsvoll und verständnisvoll zu sein, mache einen guten Menschen aus. Erst als die Tatsachen ans Licht kamen, hat sich mein Bild von mir selbst komplett geändert. Leslies Problem war mir aufgefallen, doch ich habe sie nicht darauf hingewiesen und ihr geholfen. Dadurch konnte sie weder das Wesen noch die Folgen ihres Problems erkennen, ihr Leben litt darunter und die Gemeindearbeit wurde verzögert. Ich war so egoistisch, hinterhältig und betrügerisch gewesen. Wie konnte ich behaupten, ich hätte gute Menschlichkeit?
Bei einer Versammlung etwas später las ich Gottes Worte, in denen Er „Schlage nie unter die Gürtellinie“ und „Über die Fehler guter Freunde zu schweigen, ermöglicht eine lange und gute Freundschaft“ analysiert. Da erkannte ich, dass ich andere nicht auf ihre Probleme hinweisen wollte, weil ich unter dem Einfluss dieser Ideen stand. Der Allmächtige Gott sagt: „In der Lebensphilosophie gibt es einen Grundsatz, der besagt, ‚Sich über die Fehler guter Freunde in Stillschweigen zu hüllen, sorgt für eine lange und gute Freundschaft.‘ Das bedeutet, dass man, um ein freundschaftliches Verhältnis zu bewahren, über die Probleme des Freundes schweigen muss, auch wenn man sie deutlich sieht, dass man die Grundsätze einhalten sollte, anderen nicht ins Gesicht zu schlagen oder ihre Unzulänglichkeiten anzuprangern. Sie sollen sich gegenseitig täuschen, sich voreinander verstecken, Intrigen gegeneinander ausführen; und obwohl sie ganz genau wissen, was für ein Mensch der andere ist, sagen sie es nicht freiheraus, sondern wenden listige Methoden an, um ihre freundschaftliche Beziehung zu bewahren. Warum sollte man solche Beziehungen aufrechterhalten wollen? Es geht darum, sich in dieser Gesellschaft, innerhalb seiner Gruppe, keine Feinde machen zu wollen, was bedeuten würde, dass man sich oft in gefährliche Situationen begibt. Da du weißt, dass jemand zu deinem Feind werden und dir schaden wird, nachdem du seine Unzulänglichkeiten angeprangert oder ihn verletzt hast, und da du dich nicht in eine solche Lage bringen möchtest, wendest du folgenden Grundsatz der Lebensphilosophie an: ‚Wenn du andere schlägst, schlag ihnen nie ins Gesicht; wenn du andere bloßstellst, stelle nie ihre Unzulänglichkeiten bloß‘. Wenn zwei Menschen in einer solchen Beziehung stehen, gelten sie angesichts dessen dann als wahre Freunde? (Nein.) Sie sind keine wahren Freunde und schon gar keine Vertrauten. Um was für eine Art von Beziehung handelt es sich also genau? Handelt es sich nicht um eine grundlegende soziale Beziehung? (Doch, das tut es.) In solchen sozialen Beziehungen können die Menschen weder ihre Gefühle darbringen oder einen tiefen Austausch führen noch über das sprechen, worüber sie sprechen wollen. Sie können nicht laut aussprechen, was sie auf dem Herzen haben, bzw. die Probleme laut aussprechen, die sie im anderen sehen, oder Worte, von denen der andere profitieren würde. Stattdessen suchen sie sich nette Dinge aus, die sie sagen, um die Gunst des anderen zu erhalten. Sie wagen es nicht, die Wahrheit zu sagen oder die Grundsätze aufrechtzuerhalten, um bei anderen keine Feindseligkeit hervorzurufen. Wenn niemand für sie bedrohlich ist, lebt diese Person dann nicht relativ in Ruhe und Frieden? Ist dies nicht das Ziel der Menschen, wenn sie den Spruch ‚Wenn du andere schlägst, schlag ihnen nie ins Gesicht; wenn du andere bloßstellst, stelle nie ihre Unzulänglichkeiten bloß‘ propagieren? (Das ist es.) Es handelt sich eindeutig um eine gerissene, betrügerische Art der Existenz, die ein defensives Element enthält und deren Ziel die Selbsterhaltung ist. Menschen, die so leben, haben keine Vertrauten, keine engen Freunde, bei denen sie sagen können, was immer sie wollen. Sie gehen defensiv miteinander um, berechnend und strategisch, wobei jeder das aus der Beziehung mitnimmt, was er braucht. Ist das nicht so? Im Grunde genommen ist das Ziel des Satzes ‚Wenn du andere schlägst, schlag ihnen nie ins Gesicht; wenn du andere bloßstellst, stelle nie ihre Unzulänglichkeiten bloß‘, andere nicht zu kränken, sich keine Feinde zu machen und sich selbst zu schützen, indem man niemandem Schaden zufügt. Es ist eine Technik und Methode, die man übernimmt, um nicht zu Schaden zu kommen. Wenn man diese verschiedenen Facetten des Wesens des moralischen Verhaltens der Menschen betrachtet, ist dessen Forderung ‚Wenn du andere schlägst, schlag ihnen nie ins Gesicht; wenn du andere bloßstellst, stelle nie ihre Unzulänglichkeiten bloß‘, dann etwas Nobles? Ist sie positiv? (Nein.) Was lehrt sie die Menschen dann? Dass du niemanden verärgern oder verletzen darfst, sonst wirst du derjenige sein, der am Ende zu Schaden kommt; und auch, dass du niemandem vertrauen solltest. Wenn du einem deiner guten Freunde weh tust, wird sich die Freundschaft still und leise verändern: Er wird nicht mehr dein guter, enger Freund sein, sondern zu einem Fremden oder einem Feind werden. Welche Probleme können dadurch gelöst werden, sie zu lehren, sich so zu verhalten? Selbst wenn du dir mit dieser Verhaltensweise keine Feinde machst und sogar einige verlierst, wird dies dazu führen, dass die Menschen dich bewundern und gutheißen und dich immer als Freund behalten werden? Erreicht man damit vollständig den Standard von moralischem Verhalten? Im besten Fall ist das nicht mehr als eine Lebensphilosophie“ (Das Wort, Bd. 6, Das Streben nach der Wahrheit: Was es bedeutet, nach der Wahrheit zu streben (8)). Als Gott den Einfluss von „Schlage nie unter die Gürtellinie“ und „Über die Fehler guter Freunde zu schweigen, ermöglicht eine lange und gute Freundschaft“ analysierte, war mir, als stünde Er direkt vor mir und würde mich bloßstellen. Ich lebte nach diesen Verhaltensmaximen, und so dienten meine Worte und meine Taten nur meinem eigenen Schutz. Ganz egal, in wessen Gesellschaft ich mich befand, ich verhielt mich immer nach der Maxime, niemanden verärgern oder kränken zu wollen. Wie damals in der Schule: Als ich sah, wie Leute, die Klartext redeten, ausgegrenzt wurden, dachte ich, um mit anderen auszukommen, dürfe man nie sagen, was man wirklich denkt, und dürfe nie die Probleme von anderen ansprechen und sie kränken. Auf diese Weise wird man von allen gemocht und eckt bei niemandem an. Selbst nachdem ich angefangen hatte, an Gott zu glauben, hielt ich mich im Umgang mit den Brüdern und Schwestern an dieses Prinzip. Um mich nicht unbeliebt zu machen oder Gefühle zu verletzen, hielt ich mich stets im Hintergrund, wenn es darum ging, jemanden bloßzustellen und ihn dadurch vielleicht zu kränken, oder sprach es bei einem meiner Kollegen an, damit sie sich darum kümmern würden. Wenn ich Gemeinschaft halten musste, sagte ich manchmal einfach nur belanglose Floskeln, die zu der Situation passten, wodurch viele Probleme nicht rechtzeitig gelöst wurden. Ich hielt weltliche Philosophien wie „Mit jedem weiteren Freund öffnet sich eine weitere Tür“ und „Über die Fehler guter Freunde zu schweigen, ermöglicht eine lange und gute Freundschaft“ für Kriterien, nach denen ich mich verhalten sollte. Ich habe nie jemandem gesagt, was ich wirklich dachte, und wurde immer falscher und betrügerischer. Ich redete mir ein, wenn ich ein gutes Verhältnis mit allen bewahrte und gut mit ihnen auskam, dann würden mich die anderen mögen und es würde mir leicht fallen, ihre Anerkennung zu gewinnen. Sollte ich eines Tages etwas sagen oder tun, das gegen die Grundsätze verstieß, würden die Leute nachsichtig mit mir sein und mir erlauben, mein Gesicht zu wahren. Ich erkannte, dass ich mich im Umgang mit anderen nicht an die Grundsätze hielt. Ich wollte einfach nur, dass alle zufrieden und glücklich waren und dass niemand die Unzulänglichkeiten von jemand anderem bloßstellte, damit ich nie Gesicht verlieren würde und meinen Status und mein Ansehen bewahren könnte. Hieß das nicht, dass ich versuchte, andere für mich zu gewinnen und zu benutzen? Ich mochte sympathisch, umgänglich und einfühlsam wirken, doch hinter der Fassade verfolgte ich still meine eigenen Ziele. Ich war wirklich böse! Wenn ich an die Sache mit Leslie zurückdenke, war mir damals vollkommen klar, dass sie sich hinterhältig und gerissen verhielt, doch um sie nicht gegen mich aufzubringen, habe ich weder auf ihre Probleme hingewiesen noch diese bloßgestellt, was sich auf den Arbeitsfortschritt auswirkte. Mit diesem Verhalten habe ich nicht nur ihr geschadet, sondern auch die Gemeindearbeit verzögert. Gott hat in Seinem gemeinschaftlichen Austausch immer gesagt, wir sollen uns in unserem Verhalten und Handeln und wenn wir Leute und Dinge beurteilen, nach Gottes Worten richten – die Wahrheit sollte unser Maßstab sein. Aber im täglichen Leben richtete ich mich nach satanischen Philosophien, immer zurückhaltend in dem, was ich sagte und tat. Ich war nicht in der Lage, mit anderen normal Gemeinschaft zu halten oder ihnen zu helfen, geschweige denn der Verantwortung einer Leiterin gerecht zu werden. Ich dachte nicht darüber nach, wie meine Worte erbaulich für andere sein könnten oder über einen Weg, die Gemeindearbeit zu schützen. Ich sah zu, wie die Gemeindearbeit Schaden nahm, und spielte trotz meines Zorns darüber weiter den netten Kerl. Ich opferte die Interessen der Kirche meinen eigenen Interessen. Ich war so falsch und ohne jegliche Menschlichkeit! Wenn ich so weitermachte, würde Gott mich hassen und verabscheuen und die anderen mich verachten und ablehnen. Ich betete zu Gott: „O Gott, Ich sehe, wie die Gemeindearbeit Schaden nimmt, spiele aber das liebe Mädchen. Ich schütze die Interessen der Kirche nicht, und das muss Dich anwidern. O Gott, ich will Buße tun. Bitte führe mich darin, mein Problem zu beseitigen und ein Mensch mit einem Sinn für Gerechtigkeit zu sein, der die Gemeindearbeit schützt.“
Danach las ich mehr von Gottes Wort. „Wenn etwas auftaucht, lebst du nach einer Lebensphilosophie und praktizierst nicht die Wahrheit. Du hast immer Angst, andere zu verletzen, aber du fürchtest dich nicht davor, Gott zu verletzen, und wirst sogar die Interessen des Hauses Gottes opfern, um deine zwischenmenschlichen Beziehungen zu schützen. Was sind die Folgen eines solchen Verhaltens? Du wirst deine zwischenmenschlichen Beziehungen recht gut geschützt haben, aber du wirst Gott beleidigt haben, und Er wird dich verabscheuen, dich zurückweisen und zornig auf dich sein. Was ist unter dem Strich besser? Wenn du das nicht erkennen kannst, dann bist du völlig verwirrt; es beweist, dass du nicht das geringste Verständnis für die Wahrheit hast. Wenn du so weitermachst, ohne jemals aufzuwachen, ist die Gefahr in der Tat groß, und am Ende wirst du nicht in der Lage sein, die Wahrheit zu erlangen. Du wirst es sein, der einen Verlust erlitten hat. Wenn du in dieser Angelegenheit nicht nach der Wahrheit suchst und scheiterst, wirst du dann in Zukunft in der Lage sein, die Wahrheit zu suchen? Wenn du es dann immer noch nicht kannst, wird es nicht mehr darum gehen, einen Verlust zu erleiden – du wirst schließlich verstoßen werden. Wenn du die Motivation und Sichtweise einer ‚netten Person‘ hast, dann wirst du in allen Angelegenheiten unfähig sein, die Wahrheit zu praktizieren und die Prinzipien zu befolgen, und du wirst immer scheitern und zu Boden stürzen. Wenn du nicht aufwachst und nie nach der Wahrheit strebst, dann bist du ein Ungläubiger und wirst nie die Wahrheit und das Leben erlangen. Was solltest du dann tun? Angesichts solcher Dinge musst du Gott im Gebet anrufen, Ihn um Rettung anflehen, Ihn bitten, dir mehr Glauben und Kraft zu schenken, damit du die Prinzipien befolgen kannst, zu tun, was du tun solltest, die Dinge entsprechend den Grundsätzen zu handhaben, standzuhalten, die Interessen von Gottes Haus zu schützen, und zu verhindern, dass die Arbeit von Gottes Haus in irgendeiner Weise Schaden nimmt. Wenn du fähig bist, deinen Eigeninteressen, deinem Ansehen und deiner Sichtweise einer ‚netten Person‘ zu entsagen, und wenn du das, was du tun solltest, mit ehrlichem, ganzem Herzen tust, dann hast du Satan besiegt und diesen Aspekt der Wahrheit errungen. Wenn du stets nach der Philosophie Satans lebst, deine Beziehungen zu anderen pflegst und niemals die Wahrheit praktizierst, es nicht wagst, die Prinzipien zu befolgen, wirst du dann in der Lage sein, die Wahrheit in anderen Angelegenheiten zu praktizieren? Du wirst keinen Glauben, keine Kraft haben. Wenn du niemals in der Lage bist, die Wahrheit zu suchen oder zu akzeptieren, wird dir dann ein solcher Glaube an Gott erlauben, die Wahrheit zu erlangen? (Nein.) Und wenn du die Wahrheit nicht erlangen kannst, kannst du dann gerettet werden? Du kannst nicht gerettet werden. Wenn du immer nach der Philosophie Satans lebst, der die Realität der Wahrheit völlig fehlt, dann kannst du niemals gerettet werden“ (Das Wort, Bd. 3, Die Diskurse des Christus der letzten Tage: Teil 3). Gottes Wort machte mir klar, dass die Richtschnur für mein Verhalten immer war, Beziehungen zu pflegen und mir keine Feinde zu machen, anstatt Gottes Wort zu praktizieren. Wenn ich etwas sah, das nicht mit der Wahrheit übereinstimmte, gab ich einfach klein bei und ließ es zu, weil ich mein gutes Verhältnis zu allen schützen wollte, damit ich immer auf der sicheren Seite war. Ich erkannte, dass ich einen Mittelweg einschlug und mich komplett entgegen den Grundsätzen verhielt. Gott verlangt, dass wir uns in Wort und Tat an Sein Wort halten, dass wir Menschen sind, die lieben, was Er liebt, hassen, was Er hasst, und Gut von Böse unterscheiden können, dass wir in der Lage sind, verschiedenste Menschen richtig einzuschätzen und andere gemäß den Grundsätzen zu behandeln. Nur auf diese Weise zu praktizieren ist im Einklang mit Gottes Willen. Und dennoch habe ich Leslie weder kritisiert noch bloßgestellt, obwohl ich deutlich erkannte, dass sie bei ihrer Pflicht die Arbeit aufhielt. Als ich sie weinen sah, spielte ich den netten Kerl und tröstete sie trotz meines Ärgers. Indem ich mit ihr nachsichtig war, beschütze ich unser Verhältnis und ergriff die Partei Satans. Ich war so töricht. Früher dachte ich nicht, dass ein solches Verhalten so ein Problem darstellte. Erst als die Tatsachen ans Licht kamen, erkannte ich, dass nach diesen Verhaltensmaximen zu leben wirklich nicht der richtige Weg war. Ich war Aufseherin, hatte aber immer Angst davor, die Leute zu kränken, und mir fehlte jeglicher Sinn für Gerechtigkeit. Ich traute mich nicht, auf Probleme hinzuweisen, die ich entdeckte, oder über sie Gemeinschaft zu halten, um sie zu lösen, wodurch Probleme immer wieder auftauchten. Ich leistete keine echte Arbeit; im Gegenteil, ich widersetzte mich Gott.
Einige Zeit später fand ich in Gottes Worten einen Weg der Praxis: „Wenn du eine normale Beziehung zu Gott aufbauen willst, muss dein Herz Ihm zugewandt sein; mit dieser Grundlage wirst du dann auch eine normale Beziehung zu anderen Menschen haben. Egal, was du tust, um deine Beziehungen zu anderen Menschen zu pflegen, egal, wie hart du arbeitest oder wie viel Energie du hineinsteckst, wenn du keine normale Beziehung zu Gott hast, wird all das zu einer menschlichen Lebensphilosophie gehören. Du wirst deine Stellung unter den Menschen schützen und ihr Lob durch menschliche Anschauung und menschliche Philosophien erlangen, anstatt normale zwischenmenschliche Beziehung nach dem Wort Gottes aufzubauen. Wenn du dich nicht auf deine Beziehungen zu Menschen konzentrierst und stattdessen eine normale Beziehung zu Gott pflegst, wenn du bereit bist, dein Herz Gott zu geben und zu lernen, Ihm zu gehorchen, dann werden deine zwischenmenschlichen Beziehungen auf natürlichem Wege normal werden. Diese Beziehungen werden dann nicht auf dem Fleisch aufgebaut sein, sondern auf der Grundlage der Liebe Gottes. Du wirst fast keine fleischlichen Interaktionen mit anderen Menschen haben, dafür wird es auf einer geistlichen Ebene gemeinschaftlichen Austausch und gegenseitige Liebe, Trost und Fürsorge zwischen euch geben. Das alles erfolgt auf der Grundlage eines Verlangens danach, Gott zufriedenzustellen – diese Beziehungen werden nicht durch menschliche Lebensphilosophien aufrechterhalten, sie entstehen natürlich, wenn man für Gott eine Last trägt. Sie erfordern keine künstlichen, menschlichen Anstrengung von dir, du musst nur nach den Prinzipien der Worte Gottes praktizieren“ (Das Wort, Bd. 1, Das Erscheinen und Wirken Gottes: Es ist sehr wichtig, eine normale Beziehung zu Gott aufzubauen). Gottes Wort ließ mich verstehen, dass normale zwischenmenschliche Beziehungen nicht durch weltliche Philosophien aufrechterhalten werden. Das Fundament für sie ist das Praktizieren Seines Wortes. Wenn etwas passiert, müssen wir die Wahrheit praktizieren, gemäß den Grundsätzen handeln, die Gemeindearbeit schützen und für das Leben der Brüder und Schwestern eine Last auf uns nehmen. Das ist die einzige Art, normale zwischenmenschliche Beziehungen zu führen. Ich erinnerte mich an die Erfahrungszeugnisse einiger Brüder und Schwestern. Wenn sie bei anderen Probleme bemerkten, konnten sie diese darauf hinweisen und ihnen gemäß Gottes Wort helfen. Obwohl manche Leute Gesicht verloren, solange sie nach der Wahrheit strebten, konnten sie diese Kritik und den gemeinschaftlichen Austausch nutzen, um ihre eigenen Unzulänglichkeiten und ihre verdorbenen Dispositionen zu erkennen, ihren falschen Zustand zu berichtigen, Fortschritt in ihrem Leben zu machen und bei ihrer Pflicht immer bessere Ergebnisse zu erzielen. Das heißt es, wirklich liebevoll und hilfreich zu sein. Doch diejenigen, die nicht nach der Wahrheit streben, werden bloßgestellt, wenn man sie kritisiert und sich mit ihnen befasst. Sie sind der Wahrheit überdrüssig, und wenn man sie zurechtstutzt und sich mit ihnen befasst, weigern sie sich, es anzunehmen, und versuchen Ausreden zu finden und sich zu widersetzen. Solche Menschen sind keine wahren Brüder oder Schwestern und sollten abgelehnt und ausgegrenzt werden. Als mir das klar wurde, war ich noch überzeugter davon, dass nur Gottes Wort Maßstab für unser Handeln und unser Verhalten ist und wir andere gemäß Gottes Wort behandeln sollten. Das ist die richtige Art, sich zu verhalten, und entspricht den Anforderungen an eine normale Menschlichkeit.
Etwas später fand ich heraus, dass eine Schwester arrogant und selbstgerecht war und keine Vorschläge annahm. Sie tat, was sie wollte, und verzögerte die Arbeit. Ich musste mit ihr Gemeinschaft halten und sie auf ihre Probleme hinweisen, damit sie über sich nachdenken und sich selbst kennen konnte, doch ich war etwas ängstlich. Was, wenn sie es nicht akzeptierte? Würde sie eine schlechte Meinung von mir haben und behaupten, ich hätte sie im Visier? Ich erinnerte mich an mein früheres Versagen und an das, was ich vor kurzem in Gottes Wort gelesen hatte, und es rüttelte etwas wach in mir. Wenn ich in meiner Bemühung, unser Verhältnis zu schützen, die Gemeindearbeit vernachlässigte, würde ich Gott kränken. Gott beobachtete dieses Mal meine Haltung, um zu sehen, ob ich Buße getan und mich geändert hatte. Ich durfte andere nicht mehr so behandeln wie vorher. Ich erinnerte mich, dass es in Gottes Wort heißt: „Angesichts solcher Dinge musst du Gott im Gebet anrufen, Ihn um Rettung anflehen, Ihn bitten, dir mehr Glauben und Kraft zu schenken, damit du die Prinzipien befolgen kannst, zu tun, was du tun solltest, die Dinge entsprechend den Grundsätzen zu handhaben, standzuhalten, die Interessen von Gottes Haus zu schützen, und zu verhindern, dass die Arbeit von Gottes Haus in irgendeiner Weise Schaden nimmt“ (Das Wort, Bd. 3, Die Diskurse des Christus der letzten Tage: Teil 3). Ich konnte spüren, dass Gott an meiner Seite stand und mich dazu ermutigte, diesen Schritt zu tun. Ich betete zu Gott und bat Ihn, mir den Glauben und die Kraft zu schenken, um die Wahrheit zu praktizieren, die Gemeindearbeit voranzustellen und keine Angst mehr davor zu haben, Leute zu kränken, weil ich meine Beziehungen schützen wollte. Nach meinem Gebet suchte ich die Schwester auf. Ich entlarvte nicht nur anhand ihres ständigen Verhaltens ihr Problem, sondern sagte ihr auch, sie sei arrogant und nehme Vorschläge von anderen nicht an, sei der Wahrheit überdrüssig und habe eine satanische Disposition. Ich sagte ihr, falls sie weiterhin die Gemeindearbeit behindere, ohne Buße zu tun oder sich zu ändern, würde sie entlassen werden. Als ich das alles gesagt hatte, fühlte ich mich nicht wie früher, als ich immer Angst hatte, gehasst zu werden. Stattdessen war ich entspannt und im Reinen mit mir selbst. Wenn ich zurückblicke, so habe ich früher immer nach satanischen Verhaltensmaximen gelebt, in ständiger Angst, andere zu kränken oder dass es zu Streit oder Konflikten kommen könnte. Im Umgang mit anderen war ich immer darauf bedacht, dass sie ihr Gesicht wahren konnten, und pflegte meine Beziehungen, wodurch ich viele Gelegenheiten verpasste, die Wahrheit zu praktizieren. Wenn ich heute andere auf ihre Probleme hinweisen muss, habe ich immer noch etwas Angst, aber ich kann auf jeden Fall immer zu Gott beten, und meine Beweggründe und Ansichten berichtigen, um im Einklang mit den Grundsätzen zu praktizieren. Diese Erfahrung hat es mir erlaubt, meine falschen Ansichten zu berichtigen. Ich bin Gott wirklich dankbar!